So, nun bin ich also mitten drin im Examen und habe das Gefühl im falschen Film zu sein!
Wofür habe ich eigentlich die letzten anderthalb Jahr konsequent gelernt? Wofür habe ich eigentlich meine Wochenenden geopfert?
Am Donnerstag, 10.02.2005, habe ich die erste Klausur im Zivilrecht geschrieben. Rechtlich war sie zwar ganz anspruchsvoll, aber machbar, Bereich Zwangsvollstreckungsrecht.
Der Sachverhalt:
Der jetzige Beklagte hat einen Titel aus einem Vorprozess gegen den jetztigen Kläger. Der jetzige Kläger hatte nach dem Urteil zunächst Berufung eingelegt. Da der Inhaber des Titel aber nicht in die zweite Instanz gehen wollte, schlossen die beiden Parteien einen Vergleich, dessen Zustandekommen und Inhalt im einzelenen streitig ist. Jedenfalls verpflichtete sich der jetzige Kläger die Berufung zurückzunehmen, im Gegenzug verzichtete der jetzige Beklagte auf die Zwangsvollstreckung aus dem Titel aus dem Urteil. Es kam wie es kommen musste! Streitig waren im Vergleich die Fristen. Der jetzige Kläger zahlte zu spät und der jetzige Beklagte strengte die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil an. Der jetzige Kläger legte eine Vollstreckungsabwehrklage ein. Während des laufenden Rechtsstreits vollstreckte der Gerichtsvollzieher aus dem Urteilstitel, leider die komplette Summe, obwohl der Kläger schon z.T. erfüllt hatte. Der Kläger erklärte die Erledigung und forderte nunmehr den zuviel gezahlten Teil zurück. Der Beklagte stimmte der Erledigung unter Protest gegen die Kostenlast zu.
Leider war dies aber noch nicht alles.
Nebenher betrieb der jetzige Beklagte aus einem anderen Prozess die Zwangsvollstreckung hinsichtlich der Kosten aus einem Kostenfestsetzunrgsbeschluss gegen den jetzigen Kläger. Dieser aber rechnete auf mit einer abgetretenen Forderung eines Dritten aus § 823 BGB. Hier werden natürlich das Bestehen der Forderung und die Abtretung bestritten. Daneben ein Mitverschulden und die Schadensminderungspflicht des Dritten geltend gemacht. Schließlich wird noch ein Aufrechnungsverbot angeführt.
Jup, das war´s also. Wie gesagt, prinzipiell machbar! Das Problem war der 16-Seiten Sachverhalt, der so durcheinander und gespickt mit Einzelheiten und Daten war, dass es mich mehr als zwei Stunden gekostet hat, um da überhaupt einigermaßen einen Überblick zu bekommen. Dann noch die Lösungsskizze und dann die Reinschrift. Es kam wie es kommen musste... Die Zeit reichte nicht! Es ist ja ein altbekanntes Problem, die Zeit im Examen... Aber ärgerlich ist es schon. Wenn man eine Lösungsskizze hat und sich denkt: Schön, das ist im grünen Bereicht! Aber alleine für´s Schreiben des Tatbestandes und der E-Gründe hätte man mindestens vier Stunden gebraucht, weil es einfach zuviel war.
Na, mal abwarten.
Die zweite Klausur Freitag, den 11.02.2005 war die Anwaltsklausur.
Seltsames Ding.
Der Mandant hat bereits einen Antrag auf PKH gestellt und kommt zum Anwalt (zu mir). Er trägt mir den Sachverhalt vor.
Er hat auf ein Zeitungsinserat des Gegners hin, von diesem 13 Bahnschwellen bekommen, die er in seinem Garten als Umfriedung verbauen wollte. Wenige Tage später leitete der Landkreis Celle ein Ermittlungsverfahren ein, das im weiteren Verlauf an die StA abgegeben wurde. Das Verfahren wurde nach § 153a StPO gegen die Auflage vorläufig eingestellt, dass der Mandant die verseuchten Bahnschwellen entsorgt. (In der Anlage zum Sachverhalt wurde uns freundlicherweise das ChemikalienG sowie die Chemikalienverordnung mitgeliefert). Die Bahnschwellen wurden entsorgt. Der Mandant möchte nun vom Gegner die Entsorgungskosten als Schadensersatz haben. Er wirft ihm vor allem vor, dass der Gegner ihn arglistig getäuscht habe, da er wusste, dass die Bahnschwellen verseucht waren und ihn darüber hätte aufklären müssen. Der Gegner wiederum behauptet, Bahnschwellen sind immer mit Teer getränkt um sie zu konsevieren. Das ist offenkundig, das habe auch der Mandant gewusst. Außerdem habe er bei Abholung nach dem Verwendungsvorhaben des Mandanten gefragt und ihn darauf hingewiesen, dass es verboten sei, die Bahnschwellen einzubauen. (Dies ist die einzig streitige Tatsache.)
In der Akte ist noch die Erwiderung des Gegners zum PKH-Antrag des Mandanten enthalten. Und das Protokoll einer mündlichen Verhandlung, in dem der Richter darauf hinweist, dass er Zweifel an der arglistigen Täuschung des Gegners hat uns aber einen Schriftsatznachlass gewährt.
Aufgabe. Verfassen Sie den Schriftsatz an das Gericht oder ein Schreiben an den Mandanten. In den gutachterlichen Zweckmäßigkeitserwägungen führen Sie bitte aus, welche Tatsachen ihm Schriftsatz noch vorgebracht werden können.
Mal gut, dass ich im Kleingedruckten noch gelesen habe, dass nicht nur ein PKH-Antrag gestellt worden war, sondern einen Monat später auch Klage erhoben worden war, auf die der Beklagte auch erwidert hatte. Die waren nämlich nicht in der Akte. Stutzig hatte mich nur das Protokoll zur mündlichen Verhandlung gemacht.
Meine Lösung ist wohl sehr kreativ. Ich bin gespannt!
Da weiterer Tatsachenvortrag laut Bearbeitervermerkt nicht erlaubt war, habe ich den Sachverhalt unter einem neuen rechtlichen Gesichtspunkt gewürdigt. Sämtliche in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen (Sachmängelhaftung aus Schenkung - was man so alles im Examen noch dazu lernt!!! § 524 BGB - PVV des Schenkungsvertrags, Anfechtung nach § 123 BGB und Rückabwicklung nach § 812, setzten die arglistige Täuschung oder eine Pflichtverletzung des Schenkers voraus, an denen der Richter gerade zweifelte.) Deswegen habe ich eine GoA angenommen, die Entsorgung ist ein auch-fremdes Geschäft gewesen (für den Beklagten, deshalb, weil die Übereignung der Bahnschwellen nach § 134 BGB iVm dem ChemikalienG nichtig war, zumindest aber hätte er nach diesen Vorschriften die Bahnschwellen nicht übergeben dürfen, dass es seine Pflicht gewesen wäre, diese zu entsorgen), FGW lag unproblematisch vor, das Interesse des Beklagten als Geschäftsherrn war unbeachtlich gem. § 679 BGB, weil die Geschäftsführung die ERfüllung einer Pflicht des GH war, die im öffentlichen Interesse stand (dies lies sich mit dem Gesetzeszweck des ChemikalienG begründen, der mit abgedruckt war.)
Der Vorteil der GoA war, dass es nicht auf die Arglist oder die Aufklärung des Gegners ankam.
Ich frag mich nur, ob die Idee mit dem § 134 BGB so richtig ist.
So, am Mittwoch gibt´s die nächsten zwei!